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Page:Irische Texte 1.djvu/275

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IX FIed Bricrend.

6. Was die sehr schwierige Zeitfrage anlangt, so erinnere ich für jetzt nur daran, dass wir zu unterscheiden haben: 1) Die Zeit, in der unsere Handschriften geschrieben sind, 2) Die Zeit, in welcher diese uns vorliegende Compilation aus Einzelsagen entstanden ist, 3) Die Zeit, in welcher die Einzel- sagen sich gebildet haben, 4) Die Zeit, in welcher die in diesen Sagen auftretenden Personen gelebt haben.

Ich glaube, dass jede dieser Zeiten ihren Antheil an Form oder Inhalt des uns vorliegenden Textes hat, wenn wir auch nicht im Stande sind, einer jeden mit aller Schärfe das ihrige zuzuweisen.

Glauben wir der irischen Tradition, dass Conchobar im 1. Jahrh. vor unserer Zeitrechnung gelebt hat, so ist unser Text allerdings das Resultat einer mehr als tausendjährigen Tradition. Das wichtigste, revolutionärste Ereigniss dieser ganzen Periode ist die Einfühi'ung und Ausbreitung des Christen thums. Da sich aber gerade christliche Elemente in diesen Sagen nicht nach- weisen lassen, so fehlt jeder Anhalt zu der Vermuthung, dass das, was als alte Tradition im 11. Jahrhundert erhalten ist, seinen m-sprünglichen Character gänzlich verloren habe. Die Kirche nahm zu den heidnischen Sagen eine ähnliche Stellung ein, wie dem heidnischen Rechte gegenüber: „What did not clash with the Word of God in the written law and in the New Testament, and with the consciences of the believers, was con- firmed in the laws of the Brehons by Patrick and by the ecclesiastics and the chieftains of Erin" (Senchus Mor I p. 17). Ja die Kirche ist den Sagen gegenüber sogar nachsichtiger gewesen, denn sie hat den heidnischen Aberglauben aus der Sage nicht gänzlich verbannt — oder nicht gänzlich verbannen können. Erfinderischer Sinn zeichnete nach den Beobachtungen, die wir an dem vorliegenden Texte gemacht haben, den Compilator oder Diaskeuasten nicht aus. Ich sehe daher keinen genügenden Grund, daran zu zweifeln, dass uns in den Einzelsagen wirklich echte Bilder einer vorchristlichen Cultui' erhalten sind, aller- dings Bilder, die an einigen Stellen verblasst, an anderen von späterer Hand übermalt sind.