DIE ANSIEDLUNG DER SLAWEN IN DEN OSTALPEN UND DIE FRAGE DER KONTINUITÄT
In der zweiten Hälfte, vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten des 6. Jahrhunderts siedelten sich in den Flusstälern und Flussgebieten der Ostalpen die Slawen an. Ende des 6. Jahrhunderts hiess der heutige Osttiroler und Kärntner Raum bereits das Slawenland (Sclaborum provincia), etwas später wird das obere Kanaltal bis zum Kärntner Gailtal als slawische Region (regio Sclavorum) bezeichnet. Auch das obere Sava-(Save)-Tal betrachtete Paulus Diaconus, ein Autor aus dem benachbarten langobardischen Friaul, als die Heimat der Slawen (patria Sclavorum).[2] Wie literarische Quellen, aber auch zahlreiche slawische Ortsnamen bezeugen,[3] erstreckte sich die geschlossene slawische Besiedlung bis zum Rand der friulanischen Ebene und reichte etwas nördlicher bis zu den Quellen der Gail und der Drau im Pustertal. Sie erfasste das Murtal einschliesslich Lungau und in etwas geringerem Masse auch das obere Ennstal. So wurde ein grösser Teil der Ostalpen slawisches Siedlungsgebiet.[4] Vom Standpunkt der Kolonisations- und Migrationsgeschichte stellte die slawische Besiedlung dieses Gebietes einen Prozess dar, der seine Geschichte grundlegend prägte und dem Lebensraum der Slowenen jene Sprachidentität verlieh, die bis heutzutage erhalten blieb. Die slawische Besiedlung des Ostalpenraumes war mit einer doppelten Migration der neuen Bevölkerung verbunden. Einige slawische Mundartphänomene in Kärnten, aber auch Orts- und Flussnamen auf dem Gebiet des heutigen Österreich südlich der Donau zeigen, dass die erste slawische Siedlungswelle in die Ostalpen von Norden, und zwar aus dem Gebiet der westslawischen Sprachgruppe her erfolgte.[5] Um 550 soll diese Welle eine umgekehrte Richtung eingeschlagen haben, nämlich vom Gebiet des heutigen Mähren gegen Süden über die Donau, um sich dann in Flusstälern der Alpen allmählich bis zu den Karawanken und längs der Drau noch weiter nach Südosten zu verbreiten. Die zweite Welle in die Ostalpen erfolgte et was später vom Südosten her, und zwar vom Gebiet der südslawischen Sprachgruppe, und erreichte bis zum Beginn des letzten Jahrzehnts des 6. Jahrhunderts das obere Savetal und das obere Drautal. Erwähnungen in den Quellen und Ortsnamen belegen, dass sich unter den neuen Zuwanderern auch kleine Gruppen von Kroaten und Dudleben befanden, aber auch mit Awaren, unter dessen Herrschaft die Alpenslawen damals lebten, muss ernsthaft gerechnet werden.6 Unter den politisch-ethnischen Gruppen, deren Migratio-