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Page:Labi 2009.djvu/281

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häuser - teilweise im naturgetreuen Massstab - nachgebildet, die oberhalb im Ortskern noch immer an vereinzelten Plätzen überdauert haben.

Das Museum erzählt auf 600 Quadratmetern die Geschichte des Ortes mithilfe eines dramaturgischen Leitfadens: das Zermatt des 19. Jahrhunderts ist wird gerade von Archäologen freigelegt. Betritt man das Museum durch den gläsernen Eingangsbereich - wohl den Gipfel des Matterhorns symbolisierend - gelangt man in das unterirdische Dunkel des historischen Zermatts: Zunächst auf den Dorfplatz, den die charakteristischen Gebäudetypologien der dargestellten Zeit, wie Kirche mit Pfarrhaus, Säumerhaus und Stadel, säumen (Abb. 2).

Am Dorfplatz steht auch das Hotel, das sich mit seiner hellen Fassade und den grossen Rundbogenfenstern von den dunklen Holzhäusern abhebt. Die Gestaltung nimmt hier Bezug auf eine Lebenswelt, die im Spannungsfeld von Agrarkultur und Tourismus stand: Denn die Anfänge des Tourismus und der Hotellerie um 1850 wurden von Personen getragen, die von auswärts kamen. Die Zermatter Bevölkerung stand dieser Entwicklung skeptisch gegenüber, sie war nicht gewillt in der Hotellerie zu arbeiten und haftete weiter ihrem bäuerlichen Lebensstil und der landwirtschaftlichen Selbstversorgung an.[23] «Die klare Trennung zwischen touristischer und bäuerlicher Lebenswelt bildete sich auch in der Ortsstruktur ab. In der Zeit zwischen 1855 und 1950 kannte Zermatt eine klare Zweiteilung in die dunklen, bäuerlichen Blockbauten einerseits und die hellen, voluminösen Hotelbauten andererseits», so Thomas Antonietti.[24] Auch auf die Alltagskultur der Zermatter, auf Wohnen, Ernährung und Kleidung, hat sich der Fremdenverkehr lange Zeit nicht ausgewirkt. Betritt man den grosszügigen Empfangsbereich des Hotels und danach die dunkle Rauchküche, wird dieser Unterschied deutlich.

Der hell erleuchtete Bereich der musealen Forschungsstation - szenisch deutlich abgegrenzt von den historischen Plätzen - erschliesst sich erst später. Dann wird die Bedeutung der Baustellenmarkierungen klar, die da und dort an den alten Häusern angebracht sind. Nun wird den BesucherInnen bewusst, dass man eine Momentaufnahme der aktuellen Forschung miterleben kann.

Dieser Identifikationspunkt der BesucherInnen, ihr Miteinbeziehen in das Geschehen, ist Teil der Erzählstrategie, denn als Erzählung einer Geschichte ist das inhaltliche Drehbuch des Museums aufbereitet. Diese lebendige, zeitadäquate museale Methode ist charakteristische Vorgangsweise von Steiner Sarnen Schweiz, die hier in Zermatlantis ihr «oberstes Prinzip, das Erzählen von spannenden Geschichten» nach bereits zahlreichen Vorgängerprojekten

perfektioniert haben.[25] Die Geschichten beruhen auf einem fundierten narra-

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Histoire des Alpes - Storia delle Alpi - Geschichte der Alpen 2009/14