schaftlicher Wandlungsprozesse als auch die Anpassung moderner Ideologien an das regional- beziehungsweise lokalspezifische Kolorit. Eine solche Analyse von Mobilität verlangt zum anderen, die unterschiedlichen Formen von Ideologietransfer, somit auch die Ideologieträger sowie die Bedeutung der Printmedien und des Vereinswesens genauer zu beleuchten. In Anbetracht dieses grossen Themenkomplexes muss daher auf eine flächendek-kende Analyse des Alpenraumes verzichtet werden; vielmehr beschränkt sich die Untersuchung exemplarisch auf Westösterreich, das heisst auf Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Oberösterreich.
Die bürgerlichen Zivilisationsflüchtlinge berichten in ihren Reiseberichten von einer vermeintlichen Immobilität der alpinen Welt, die seit dem Ende des 18. Jahrhunderts als Gegenpol zu «den fauligen Ausdünstungen lebender Körper» und «der räumlichen Enge [...] in den Städten»,[1] schliesslich auch zur Rastlosigkeit der industrialisierten Gesellschaft hochstilisiert wurde. Längst ist jedoch das Bild dieses immobilen, gewissermassen säkularisierten Paradieses durch die moderne Forschung revidiert worden. Bereits vor dem industriellen Zeitalter bildete Mobilität einen wichtigen Bestandteil der alpinen Gesellschaft. Die Wanderung der Kesselschmiede, Scherenschleifer, Hausierer und Handwerksgesellen besass Tradition; für Vorarlberg lässt sich bereits im 17. Jahrhundert eine Arbeitsauswanderung nach Schwaben und ins Eisass nachweisen. Das 19. Jahrhundert schuf allerdings eine neue Mobilität, die zwar zum Teil auf traditionellen Formen aufbaute, deren Wurzeln aber in den modernen ökonomischen Wandlungsprozessen zu suchen sind.
Infolge der zunehmenden Marktintegration wurde auch die lokale Produktion im Alpenraum zunehmend an überregionale Märkte gekoppelt. In Vorarlberg und Tirol hielten etwa Milchverwertungs- und Weingenossenschaften ihren Einzug, für das Pustertaler Schlachtvieh wurden die Wiener Fleischmärkte erschlossen.[2] Auch Handwerksbetriebe konnten ihren wirtschaftlichen Handlungsspielraum erweitern; ihr früher angenommener, angeblich durch die industrielle Konkurrenz bedingter allgemeiner Niedergang wurde von der neueren Forschung mittlerweile widerlegt.[3] Dagegen geriet das heimgewerblich organisierte Textilgewerbe in eine schwere Krise. Die Ursachen dafür reichen von Schwierigkeiten mit hohen Zöllen über die versäumte Anpassung an Modetrends bis hin zur Konkurrenz durch zentralisierte Spinnereien und Webereien.[4] Manche Regionen wurden von einem Industrialisierungsschub erfasst, etwa Vorarlberg durch die Zentralisierung