b. Leibnitz (Steiermark), Braunau am Inn (Oberösterreich) und schliesslich in Grödig bei Salzburg immer näher an den österreichischen Alpenraum heran, der auf diese Weise gleichsam zu einem staatlich verordneten Einwanderungsgebiet geworden war, und dessen Gesellschaft solche Veränderungen als Bedrohung ihres Lebensraumes empfand, auf die sie nicht selten radikal reagierte.
Die österreichische Bürokratie suchte unterdessen derartigen gesellschaftlichen Konflikten durch eine möglichst neutrale Position vorzubauen und vermittelnd zu wirken. In zahllosen amtlichen Aufrufen warb sie unter Hinweis auf die schwierige Gesamtlage des Staates und auf die notwendige patriotische Gesinnung sowohl bei der ortsansässigen Bevölkerung wie bei den Flüchtlingen um beiderseitiges Verständnis für die jeweilige Situation.[14]
Auch gemeinsame kulturelle Aktivitäten und Arbeitseinsätze sollten gegenseitige Vorurteile abbauen helfen. Doch die Entfremdung der einzelnen Nationalitäten des Habsburgerreiches war bereits zu weit fortgeschritten, um über einen längeren Zeitraum in einer derart angespannten Situation das anfängliche Solidaritäts- und Mitleidgefühl am Leben erhalten zu können.
Mit zunehmender Verschlechterung der ökonomischen Ressourcen und der wachsenden Lebensmittelknappheit verstärkten sich nämlich die ohnehin latent vorhandenen Vorbehalte gegenüber den als «Fremde im eigenen Land» empfundenen Migranten, die sich jedoch ihres traurigen Schicksals zunehmend bewusst wurden und durchaus zu Recht immer nachdrücklicher ihre staatsbürgerlichen Rechte einforderten. Die einheimische Bevölkerung aber hatte darüber inzwischen sichtlich vergessen, dass sich zu Beginn des Krieges noch durchaus einträgliche Geschäfte aus Zulieferverträgen etwa für die Lager oder aber aus Mieteinnahmen und Lebensmittelverkäufen mit den zuströmenden Flüchtlingen machen liessen. Sie baute gegenüber den immer pauschaler als Fremdlinge, Eindringlinge, Schmarotzer und Preistreiber abqualifizierten Flüchtlingen[15] verstärkt eine neue, eine mentale Grenze auf, um nicht zuletzt über eine solchermassen negativ besetzte Abwehrhaltung zu einem neuen Identitätsbewusstsein zu gelangen.[16]
Eine weitere Verschärfung erfuhr dieses Problem in jenem Moment, als im Mai 1915 Italien in den Krieg eintrat. Nicht nur deshalb, weil dadurch beinahe der gesamte südliche Alpenraum zum unmittelbaren Kriegsschauplatz wurde, sondern weil dessen ethnische Konstellation einige Brisanz in sich barg. Der mehrheitlich italienischen und slawischen Bevölkerung dieser Gebiete standen nämlich sowohl die österreichischen Behörden wie die