Irische Texte
mit
Wörterbuch
von
Ernst Windisch
o. Professor des Sanskrit an der Universität Leipzig.
Leipzig
Verlag von S. Hirzel.
1880.
Vorwort.
Dieses Buch ist dem Andenken an meinen verehrten Lehrer H. Brockhaus gewidmet, dem ich die erste Anregung zu celtischen Studien verdanke. Als ich mich im Jahre 1870 zu einem längeren Aufenthalte in London, der hauptsächlich durch ihn vermittelt war, verabschiedete, schärfte er mir ein, mein Augenmerk auch auf die Ossianfrage zu richten. Der zweite, dem ich auf diesem Gebiete meiner Studien persönlich zu grossem Danke verpflichtet bin, ist mein Freund Standish Hayes O’Grady. Er half mir in der liebenswürdigsten und uneigennützigsten Weise über die ersten Schwierigkeiten der Sprache und der Handschriften hinweg, führte mich in die alte Sagenwelt ein und unterstützte mich, sich selbst beraubend, durch Bücher und werthvolle eigene Abschriften. Die Ossianfrage habe ich nicht vergessen. Was in diesem Buche an verschiedenen Stellen, in den Vorbemerkungen zu einzelnen Texten, verstreut ist, habe ich in meinem 1878 auf der Philologenversammlung zu Gera gehaltenen und in den Verhandlungen derselben (bei B. G. Teubner) gedruckten Vortrag „Ueber die altirische Sage und die Ossianfrage“ zu einem Gesammtbilde zu vereinigen gesucht. Wenn ich auf den daselbst versuchten Nachweis, wie die Dichtergestalt Ossian’s entstanden ist, einen besonderen Werth lege, so hängt dies damit zusammen, dass er gleichsam eine Antwort sein soll auf die Aufforderung, mit der mich Brockhaus einst entliess.
[ vi ]Der erste Theil des vorliegenden Werkes war bereits vor drei Jahren fertig gedruckt. Ich vereinigte in demselben von Texten, was ich damals geben konnte. Heute, wo auch das Buch von Leinster in Facsimile vorliegt, würde die Auswahl anders ausfallen können, womit ich jedoch keinen Tadel gegen meine damalige Zusammenstellung ausgesprochen haben will. Auf den Wortlaut der Texte wird man sich verlassen können. Den Druck habe ich mit grösstmöglicher Sorgfalt überwacht; die Fehler, die sich finden, bestehen, abgesehen von gewissen Inconsequenzen in der Trennung der Wörter, in unrichtiger Ergänzung von Abkürzungen der Handschriften. Ich glaube nicht, dass Erhebliches unberichtigt geblieben ist, auch glaube ich nicht, dass nochmalige Collation der Originale nennenswerthe Ausbeute liefern würde. Freilich ist es im Interesse des Buches nöthig gewesen zwei und einen halben Bogen (S. 257–280 und S. 321–336) noch einmal zu drucken, weil ich glücklicher Weise noch in letzter Stunde entdeckte, dass die Collation von H. zum Serglige Conculaind und die Collation von Eg. zum Fled Bricrend nicht mit der wünschenswerthen Genauigkeit die handschriftlichen Lesarten wiedergaben.
In den Texten hatte ich das Streben, die in den Handschriften gewöhnlich zusammengeschriebenen Verbindungen wie Artikel und Substantiv, Präposition und Nomen, Verbalpartikel und Verbalform u. s. w., zu trennen, und zwar ohne den Druck mit kleinen Strichen und anderen Zeichen zu überladen. In der späteren Schriftsprache pflegen alle formal selbständigen Elemente des Satzes getrennt gedruckt zu werden. Auch in der ältern Sprache empfehle ich als Princip Trennung überall da, wo sie möglich ist, ohne sichtbar gewordene Lautverschmelzungen so zu sprengen, dass Formen entstehen, die sonst nicht üblich sind. Darnach ist z. B. getrennt zu schreiben na mac (der Söhne), nicht aber das damit identische nammac, denn nam ist keine selbständige Form; getrennt zu schreiben [ vii ]ist oc na clessaib (bei den Kunststücken), nicht aber (ocon muicc) bei dem Schweine, denn on ist keine selbständige Form des Artikels. Die „Eclipsis“ ist bezeichnet wie in der modernen Sprache, also na n-dáine der Menschen, na m-ban der Frauen. Die Handschriften haben in solchen Fällen (nicht bloss über dem gutturalen n) oft einen Punkt, diese Punkte habe ich nicht beibehalten. Dagegen habe ich den kleinen Strich noch angewendet vor gewissen, oft unübersetzbaren, enklitisch angefügten Partikeln, den sogenannten Particulae augentes, um sie dadurch vom vollwichtigen Demonstrativum zu unterscheiden. Aber freilich ist es eigentlich eine Inconsequenz ind fir sea (diese Männer) zu schreiben.
Für einige Texte habe ich an schwierigen Stellen die Uebersetzung einheimischer Gelehrter mitgetheilt. Mir kam es darauf an, zu zeigen wie weit in diesen Kreisen das Verständniss reicht, damit man nicht etwa wähne, aus den schwer erlangbaren Büchern viel mehr, als ich gebe, holen zu können. Die einheimischen Gelehrten haben ohne Anstoss Alles übersetzt, als wenn Schwierigkeiten gar nicht vorhanden wären.
Man nennt die Sprache der Handschriften, denen die vorliegenden Texte entnommen sind, Mittelirisch. Eine scharf begrenzbare, in sich einheitliche Sprache ist dies nicht. Dass man hier und da vielleicht Spuren verschiedener Dialekte nachweisen kann, ist bei Weitem nicht so wichtig, als dass sich mitten in der Sprache der spätern Zeit zahlreiche alte Formen und Wörter erhalten haben. Im Allgemeinen schrieb jeder Schreiber sein Original in die Sprache seiner Zeit um, aber nichts weniger als consequent, und so können wir noch in späten Texten Stücken eines alten Sprachschatzes begegnen. So fand ich vor Kurzem in der Egerton Version des Fled Bricrend (s. S. 336, zu S. 292, 3) das mir bisher unbekannte fathar vestrum, das sich schön neben das längst bekannte nathar nostrum stellt.
[ viii ]Ueber den hohen Werth der irischen Sage habe ich mich ausführlicher in dem oben erwähnten Vortrage ausgesprochen. Ich bleibe dabei, dass die irische Sage die einzige reichlich fliessende Quelle ungebrochenen Celtenthums ist. Welche Fülle von interessanten Zügen hat O’Curry in seinen Lectures aus dieser Quelle geschöpft, ohne sie zu erschöpfen! In Deutschland haben sich die Kreise der Anthropologen und Alterthumsforscher von jeher besonders für die celtische Cultur interessirt. Ich verweise dieselben z. B. auf das im Wörterbuch unter carn Mitgetheilte. Wo finden sich sonst noch solche Angaben?
Das Wörterbuch war eine sehr mühsame Arbeit. Noch während der Correctur habe ich die Zahl der Fragezeichen zu vermindern gesucht. Nicht nur wo ich keinen Rath wusste, sondern auch wo ich meiner Sache nicht sicher war, habe ich ein solches gesetzt, und ich wünschte, dass die Kritik bei diesen Fragezeichen einsetzte, anstatt vielleicht über die Anordnung oder andere untergeordnete Punkte mit mir zu rechten. Abgesehen von den unerledigten Wörtern enthält das Wörterbuch gegen 7000 Artikel oder verschiedene Wörter, deren Bedeutung in der Hauptsache gesichert ist. Ich habe mich, namentlich im weitern Verlauf der Arbeit, nicht auf meine Texte beschränkt, vielmehr war ich schon durch die zahlreich beigebrachten Parallelstellen genöthigt, den Kreis meiner Quellen zu erweitern. Es war dies eine Schraube ohne Ende, und der Druck musste schliesslich den Punkt des Abschlusses bestimmen. Namentlich für die ersten Buchstaben ist die Zahl der Nachträge und neuen Wörter sehr gross. Vieles davon verdanke ich meinem verehrten Freunde Whitley Stokes. Derselbe hatte die Güte die Aushängebogen zu lesen und mir, so rasch als dies von Calcutta oder Simla aus möglich war, seine werthvollen Bemerkungen zuzusenden. Wäre ich nicht genöthigt gewesen, zwei und einen halben Bogen, wie oben erwähnt, Umdrucken zu lassen, so würde ich das Wichtigste der Nachträge schon jetzt mitgetheilt haben. [ ix ]Da es aber aus verschiedenen Gründen wünschenswerth erschien, das Buch noch in diesem Jahre auszugeben, so muss ich die Nachträge für eine baldige weitere Publication aufsparen, die dann einen um so reicheren Beitrag zu einer vollständigen Sammlung des irischen Wortschatzes bringen wird. Das vorliegende Buch bildet für sich ein abgeschlossenes Ganze, da seine Texte vollständig für das Wörterbuch ausgezogen sind. Wir besitzen auf verschiedenen Sprachgebieten so vortreffliche Wörterbücher, dass bei einem neuen Werke der Art alles Gute leicht als selbstverständlich, und alles Mangelhafte als unverzeihlich empfunden wird. Ich bitte bei der Beurtheilung meiner Leistung sich nicht auf den absoluten, sondern auf den historischen Standpunkt zu stellen. Meine Hülfsmittel ersieht man aus den einzelnen Artikeln. O’Reilly’s Irish-English Dictionary mit O’Donovan’s Supplement (Dublin 1864) war mir sehr nützlich, wenn auch O’Reilly allein, seiner vielen Irrthümer und Ungenauigkeiten wegen, nie als eine sichere Quelle der Belehrung angesehen werden darf. O’Clery’s kleines Glossar stand mir leider nicht zu Gebote; ich freue mich zu erfahren, dass die nächste Nummer der „Revue Celtique“ einen neuen Abdruck desselben bringen wird.
Um mein Buch auch fremden Gelehrten leicht zugänglich zu machen, habe ich fast bei jedem Artikel die Bedeutung des Wortes auch englisch oder lateinisch angegeben. Die „Grammatica Celtica“ und der altirische Glossensprachschatz ist nicht vollständig ausgenutzt, am allerwenigsten sind alle Formen desselben Wortes aufgenommen. Mein Hauptaugenmerk ist auf die Sprache der mittelirischen Literatur gerichtet, das Altirische ist für mich nur Ausgangspunkt und Hülfsmittel gewesen. Ich bin der Ansicht, dass der gesammte altirische Glossensprachschatz zu einem lexikalischen Werke für sich vereinigt werden sollte. Während ich diese schöne Aufgabe Anderen überlasse, werde ich fortfahren an dem Sprachschatz der mittelirischen Literatur [ x ]zu arbeiten, und diese selbst zugänglicher zu machen. Ich habe während meines diesjährigen Aufenthaltes zu London und Dublin Gelegenheit gehabt viel Material zu sammeln, und werde allmählig theils aus diesem theils aus den schönen Facsimiles des Lebor na huidre und des Buches von Leinster den „Táin Bó Cúailnge“ und die kleineren Táins nebst anderen Texten, die zur Cúchulinnsage in Beziehung stehen, herausgeben. Wie schön wäre es, wenn mir dabei Professor Hennessy’s längst versprochene Bearbeitung der „Togal Bruidne Dá Derga“ vorläge!
Leipzig, den 3. November 1880.
E. Windisch.