So wurde beim nominalen Kompositum stets der Komposizionsvokal synkopiert, auch wenn er in der dritten Silbe stand, z. B. húasal-lieig ‘Oberarzt’ Karlsr. Beda 35a1, theoretisch aus *ōssel(l)o‑l...
107. Die zweite Silbe zweisilbiger Wörter bleibt von der Synkope unberührt. Eine Ausnahme macht foít ‘Sendung’ für *foídiuth, wo die zwei Dentale sich vereinigt haben (mit to‑: tooit). Ähnlich taít II pl Imper. ‘kommt!’ für *taitith oder taíthith (§ 588.809), ·tuit ‘er fällt’ für *·tuthuid (to-tud‑). Vgl. inlautend brotte ‘augenblicklich’ von brothad (brothath) ‘Augenblick’ mit Suffix ‑ade, also theoretisch = *brothath-ade.
Aber daneben heißt es z. B. ro·foíded ‘ist gesandt worden’ ohne Vokalausfall.
Entwicklung neuer Vokale.
108. Durch den Ausfall von Vokalen in Mittel- und Endsilben ist häufig ein Nasal oder r, l zwischen Konsonanten oder in den Auslaut hinter einem Konsonanten zu stehen gekommen. In dieser Stellung bewahren sie ihren konsonantischen Charakter dauernd nur:
1. wenn sie hinter gleichen Konsonanten stehen, oder n, m hinter Vokal + r, l, ẟ vgl. do·ar‑r-chet § 105, íarn ‘Eisen’ aus *īsarnon, form ‘auf mich’, salm ‘psalmus’, naidm ‘Verknüpfung’;
2. wenn der vorhergehende Konsonant nach § 122 geschwunden ist, z. B. áirme G ‘der Zahl’ aus *ad-rīme;
3. wenn die Nasale vor homorganen Medien stehen, z. B. frecnd(a)irc (zweisilbig) ‘gegenwärtig’ (frith-com-derc‑), ·fulngid ‘ihr erduldet’ neben deuterotoniertem fo·longid.
Über völligen Schwund des Nasals in solchen Fällen s. § 178.
109. In allen andern Fällen haben Nasale und Liquidae silbischen (vokalischen) Charakter angenommen, und sekundär hat sich dann vor ihnen ein neuer Vokal entwickelt, was namentlich dann deutlich zutage tritt, wenn der geschwundene Vokal hinter ihnen gestanden hatte.